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Autor: Lydia Arndt

Gefühle am Arbeitsplatz?!

Professionell sein heißt die Devise. Im Elterngespräch, im Team, als Leitungskraft.

Aber was ist mit unseren Gefühlen? Wo bleiben die?

Wer Gefühl zeigt, macht sich verletzlich. Verletzlich sein heißt, Schwächen zu haben, unsicher zu sein und den Panzer abzulegen, der uns angeblich schützen soll.

Mal ganz ehrlich. Was spricht dagegen seine Gefühle zu zeigen? Wir machen uns nahbar, wir zeigen unsere Verletzlichkeit, ja unsere Menschlichkeit. Und genau das verbindet.

Hier macht mich etwas traurig, da ärgerlich oder wütend und hier kann ich mich freuen. Was für ein breites Spektrum uns zur Verfügung steht. Gefühle machen uns lebendig. Sie zu unterdrücken, hinter einer Maske zu verstecken ist anstrengend und macht müde, manchmal sogar lebensmüde.

Wir sind keine Maschinen, wir haben Begrenzungen. Wenn wir die nicht anzeigen, nicht „Stopp“ sagen, nicht sagen „Ich schaff das grad nicht“ oder „Ich bräuchte mal Hilfe“ dann kann es uns nicht gut gehen. Dann sind wir nicht sichtbar.

„Emotionen und Erfahrungen lassen sich nicht in privat und beruflich aufteilen. Unsere innere Welt nehmen wir überall mit hin und es nützt nichts, sie zu ignorieren und zu unterdrücken.

Wir brauchen eine Kultur der Verletzlichkeit. „

@Neue Narrative

Gefühle zu zeigen braucht Mut. Im Privaten, wie am Arbeitsplatz.  Es bedeutet auch für sich selbst einzustehen und sich so zu zeigen, wie man – in diesem Moment – ist. Es fordert andere Menschen auf hinzusehen, statt zu übersehen.

Verletzlichkeit zeigt uns nicht nur, wer wir selbst sind, sondern auch wer die anderen sind.

@ Neue Narrative

Allerdings braucht es Strukturen, um Verletzlichkeit zu leben. Um über Ausgrenzung, Mobbing und auch über psychische oder körperliche Krankheiten zu sprechen. Das heißt Arbeitgeber und auch Leitungskräfte sind in der Pflicht für Strukturen zu sorgen, die Akzeptanz und Würdigung vermitteln anstatt Ignoranz und Ablehnung.

Überlegen Sie selbst im Vorfeld genau, was Sie von sich zeigen möchten. Stellen Sie sich die Frage, was gehört an den Arbeitsplatz und was nur in den privaten Bereich.

Im geschützten Raum eines Coachings ist es möglich genau diese Themen zu besprechen. Was ist gut für Sie? Wie und wann kann ich es einbringen? Was brauche ich an Unterstützung? Wer könnte mir im Team hilfreich sein? Womit fühle ich mich wirklich gut? Wie wird es für mich stimmig?

Es wird leichter, wenn Sie sich ernst nehmen.

Naturerleben als Ressource

Lange Jahre, um es genau zu sagen 10 Jahre lang, bin ich die Strecke Dortmund – Duisburg mit dem Auto gefahren. Also einmal quer durch´s Ruhrgebiet. Blech reihte sich an Blech. Rechts und links der Autobahn gab es auch selten Erfreuliches zu sehen.

Immer habe ich mich auf meinen Fahrten unwohl gefühlt, irgendwie entfremdet von mir. Meine Freunde rieten mir Hörspiele zu hören gegen die Langeweile. Aber das war es nicht. Meine Seele blieb auf der Strecke.

Gestern Abend schaute ich mir ein Video von Thomas Hübl – www.thomashuebl.de – an. Es ging um Traumatransformation. Und er sprach über die Evolution und unsere menschliche Natur. In mir machte es klick.

Wir gehen in den Wald und bewundern die Natur, die Bäume, die Pflanzen, die Rehe und die Hasen und haben vollkommen vergessen, dass wir selbst Natur sind. Nicht mehr und nicht weniger.

Wir gehören dazu, zu dieser Natur. Wir sind Teil davon und tief verbunden damit.

Unsere Zellen wissen und spüren das und laden sich inmitten von Natur auf.

Na klar ist mir bewusst, dass wir Natur sind und doch ist gestern Abend etwas ganz Entscheidendes bei mir angekommen. Wir sind Natur und entfremden uns mehr und mehr davon. Wir schaffen Räume und Systeme, in denen wir Menschen zusammenkommen, in denen uns unsere menschliche Natur aber nicht mehr bewusst ist.

Wir gehen über die Grenzen des Möglichen. Und wir verlieren mehr und mehr das Gefühl für unsere menschlichen Bedürfnisse. Wir ignorieren unsere ganz natürlichen Rhythmen. Wir orientieren uns an Vorgaben, die unser Geist ohne Verbindung mit unserer Körper-Natur entwickelt hat.

Mehr davon. Viel mehr!

Vom Wald, vom Feld, vom Meer, von den Pferden und den Hunden, den Katzen, die einfach im Gras liegen.

Da geht uns das Herz auf. Ja klar, hier sind wir zuhause. Hier kommen wir her. Alles in uns weiß das. Alles in uns spürt das.

Wenn wir uns unserer menschlichen Natur wieder mehr bewusst werden, verändert sich die Art und Weise, wie wir durch das Leben gehen, wie wir Leben gestalten. Ich vermute, wir bekommen viel mehr Gespür dafür, was uns gut tut. Was genau unsere Natur braucht.

Ich glaube, wir würden anfangen unsere Bedürfnisse viel mehr zu achten und hätten die Chance andere Räume und Rhythmen für uns zu gestalten.

In den Schulen, in den Kitas, im Gesundheitssystem. Überall hier leben wir als menschliche Natur und haben es vergessen.

Nehmen Sie einen Kreis und zeichnen Sie ein, wie oft Sie in Kontakt mit Natur kommen. Wie oft am Tag, in der Woche begeben Sie sich in Räume, die Sie als menschliche Natur stärken? Seien Sie neugierig.

Vielleicht reicht es ja auch erstmal in den Wald zu gehen mit dem tiefen Gefühl, ein Teil davon zu sein. Einzutauchen in das Empfinden ein Teil dieser wunderbaren Natur zu sein. Verbunden und nicht getrennt davon zu sein.

Wahrzunehmen, zu riechen, zu spüren, zu fühlen und zu schauen. Ganz da zu sein. Im Körper zu sein. Als Natur in der Natur.

Ich wünsche Ihnen viel lebendigen, pulsierenden Genuss dabei.

 

Elterngespräch vorbereiten

Es gibt sie die herausfordernden Gespräche mit Kollegen oder Eltern. Oftmals sind es wichtige Gespräche, in denen esum etwas geht.

Und es sind Gespräche, für die es hilfreich sein kann, dass sie gut vorbereitet werden.

 

 

Wo sind die Vorbilder für mehr Langsamkeit?

Ich mache gerade eine Ausbildung zur Deep Rest Meditationstrainerin. Und ich bin beeindruckt, wie sehr mich diese Fortbildung zu neuen Sichtweisen einlädt.

Eigentlich hatte ich geglaubt, ich erlaube mir schon viele Ruhephasen in meinem Leben. Aber bei genauem Hinsehen entdecke ich mein Angetriebensein, meinen Aktionismus, mein mich nicht in Ruhe lassen können.

Kennen Sie das?

Die Arbeit muss schnell erledigt werden, am besten sofort. Keine Pausen zwischendurch. Und wenn sich eine Pause zeigt, könnte ich noch zwischendurch einkaufen gehen. Zu Hause gibt es auch immer wieder einen Grund aufzustehen und das ein oder andere zu erledigen.

Ich habe es so gelernt. Das Leben ist Arbeit. Alles muss schön sauber sein, ordentlich und man selbst hat fleißig zu sein. Arbeit und Ordnung hatte einen hohen Stellenwert in unserer Familie.

Ja, es fehlen uns oftmals die Vorbilder für Langsamkeit, für Ruhe, Gelassenheit und Entspannung. Wie können wir uns Zeit nehmen um Tun mit Ruhe zu verbinden? Um uns im Tun wahrzunehmen. Um Verbindung wahrzunehmen.

Es braucht Erlaubnis. Freundliche und sanfte Erlaubnis. Erstmal von außen, um sich dann im eigenen Inneren entfalten zu können.

Erlaube dir langsamer zu werden, schenke dir Pausen, gönne dir den Blick in die Wolken und genieße das Nichtstun. Mittendrin in all dieser Beschleunigung.

Und wenn das Verbot auftaucht, dieses – so geht es aber nicht. Nimm es wahr, mehr nicht.

Denn, was normal ist, ist noch lange nicht gesund.

Wir sind alle so beschäftigt, aber sind wir auch erfüllt?

Nicole Stern schreibt in Ihrem Buch „Das Mußeprinzip. Wie wir wirklich im Jetzt ankommen.“ folgendes:

Die Tiefe und Fülle des Lebens zeigt sich, wenn wir die Zeit und unsere Geschäftigkeit verlangsamen.

Das Leben und Arbeiten im Autopiloten erfüllt uns nicht. Kann es auch nicht, denn wir sind eigentlich gar nicht wirklich dabei.

Wir alle sind auf der Suche danach wieder bei uns selbst, mitten im Leben anzukommen. Die Sehnsucht danach wird bei vielen Menschen immer größer. Und das ist gut so.

Mein Selbstfürsorge Coaching bietet einen wohlwollenden, wertschätzenden Raum, um erlernte Verhaltensweisen zu hinterfragen, zu würdigen und vielleicht zu verabschieden.

Raum, um sich Vorbilder zu schaffen für neue, gesündere und menschlichere Verhaltensweisen. Und selber Vorbild für mehr Entschleunigung zu werden.

Kennen Sie Ihren Leitstern?

„Zum ersten Mal in meinem Leben, weiß ich wirklich, wo ich hinmöchte. Ich beginne zu spüren, was gut und was nicht gut ist für mich. Zum ersten Mal habe ich das Ruder meines Bootes selber in die Hand genommen und navigiere eigenverantwortlich durch mein Leben. So, wie ich es will. Viel zu oft habe ich das Ruder anderen Menschen überlassen und bin einfach gefolgt. Jetzt folge ich meinem Stern, meinem Leitstern und das fühlt sich stimmig und befreiend an.“

Meine Klientin war durch eine schwere Krise gegangen und zum Ende dieser Krise war sie angekommen – angekommen bei sich selbst. Sie sprach von einem Leitstern, dem sie nun folgt.

Jede/ jeder von uns hat so einen Leitstern. Man nennt ihn Seele.

Merkwürdigerweise entdecken wir ihn oftmals erst, wenn sich das Leben um uns herum bereits verdunkelt hat. Mitten in der Krise. Dann ist er plötzlich da der Kontakt zu unserem Innersten, zu unserer Seele. Dann wissen wir, was zu tun und was zu lassen ist.

Vielleicht ist unser Stress gar nicht der Stress, der von außen kommt. Von zuviel Arbeit, von zu wenig Zeit oder von nervenden Kollegen/innen. Vielleicht entsteht auch viel Stress, weil wir an unserem Inneren vorbei leben. Weil wir etwas leben, das gar nicht zu uns passt. Weil wir uns verlaufen haben, falschen Werten folgen anstatt unserem Inneren und unserer spirituellen Anbindung.

Wir haben nicht nur eine Seele, wir sind eine Seele.

Es gibt viele Methoden, die uns aufwecken und uns zurückführen zu unseren Seelenqualitäten. Dazu gehört die Meditation, das Gebet oder der freie Tanz.

Kennen Sie Ihren Leitstern?

„Die Haltung zum Guten, zum Schlimmen kann keiner als ich nur bestimmen.“

Ich liebe die Texte der Dichterin Mascha Kaleko (1907-1975), die ein sehr schicksalsträchtiges Leben hatte.

Und ein Gedicht finde ich besonders passend und ermutigend in diesen Zeiten. Gefunden habe ich es in dem kleinen Geschenkband: „Wir haben keine andre Zeit, als diese.“ Gedichte über das Leben.

 

Was immer die Dinge mir bringen, ich stehe über den Dingen.

Was immer die Dinge mir tun, ich tue, als wär ich immun.

Und kann ich das Wollen nicht wollen, so schicke ich mich in das Sollen.

Die Haltung zum Guten, zum Schlimmen kann keiner als ich nur bestimmen.

Wenn nichts mehr geht – Schütteln

Kennen Sie das? Sie kommen von der Arbeit und spüren den Stress im ganzen Körper, die Gedanken irren umher. Und Sie wissen, jetzt sollten Sie in die Ruhe, in die Regeneration kommen. Aber wie?

In diesen Fällen hat sich das leichte Schütteln sehr bewährt. Stellen Sie sich hüftbreit hin und nehmen Sie sich wahr. Die Füße auf dem Boden, die Hüfte, die Schultern. Und vielleicht melden sich jetzt erst alle Verspannungen.

Der Körper ist toll. Er geht mit Ihnen durch dick und dünn. Eine ganze Zeit lang. Er meldet sich erst, wenn Sie etwas zur Ruhe kommen. Dann wäre es gut, Sie nehmen sich in ihrem Körpersein ernst und sorgen für sich.

Vielleicht machen Sie erst einmal Bewegungen, die Ihnen intuitiv einfallen. Alles, was entlastet. Alles, ohne Leistung. vielleicht kommen beim Bewegen schon erste Gähner, dann lassen Sie die zu und laden gleich noch welche ein. Es sieht Sie ja keiner. 😉

Dann beginnen Sie mit den Fersen an ein klein wenig hoch und runter zu wippen. Lassen Sie die kleinen Schüttelimpulse sich durch den ganzen Körper verteilen. Durch die Beine hinauf, zum Becken, zum Brustkorb, zu den Schultern und bis zum Kopf.

Einfaches, leichtes Schütteln. So einfach kann es sein, so schlicht? Genau.

Schlichtes Schütteln hilft Ihnen dabei, dass die Flüssigkeiten im Körper wieder zu fließen beginnen. So kann der Körper langsam seine Anspannung, sein Festhalten, seine Enge loslassen. Der Atem kann sich wieder ausbreiten.

Manchmal gelingt es nach dem Schütteln noch etwas in Stille zu sitzen oder zu liegen. Je nachdem.

Sie jedenfalls haben durch das Schütteln dafür gesorgt, dass ihr Körper nicht alles, was er erlebt hat verstoffwechseln muss.

Probieren Sie es aus und finden Sie ihr ganz eigenes Tempo.

Vom Gold in unseren Krisen, Erkrankungen und unserem Scheitern.

Leben verläuft nicht linear. Es verläuft nicht immer nach Plan. Manchmal verläuft es auch nicht so, wie wir es uns wünschen. Und manchmal wird es genau dadurch besser.

Leben ist, wie eine Wanderung durch unterschiedliche Landschaften. Mit kräftigen Vorwärtsschritten und zögerlichen Rückschritten, es gibt Gebiete mit einzunehmenden Bergen, wo wir mit Sonne, Wärme und weiter Sicht gesegnet sind. Und ebenso tauchen Täler auf. Und manchmal gibt es wirkliche Einbrüche, Schluchten, in die wir stürzen können.

All das nennt sich Leben. Mit all dem dürfen wir leben, mal besser, mal schlechter.

Und aus eigener Erfahrung weiß ich, es wird leichter, wenn wir darum wissen. Dass all das und noch viel mehr zum Leben gehört.

Hören wir deshalb nicht auf Pläne zu machen. Um Gottes Willen. Pläne sind wichtig und richtig!

Tun wir es nur mit einer inneren Bescheidenheit. Weil wir wissen, es kann geschehen, dass wir das Ziel nicht erreichen. Es kann sein, dass wir scheitern, dass uns mittendrin die Kraft ausgeht, dass wir die Lust verlieren, dass wir krank werden oder jemand in unserem Umfeld.

Und dass all das unser Leben ist. Unser einzigartiges Leben. Und dass es darauf ankommt, was wir daraus machen.

Wir können mit Verachtung auf das Scheitern, die Verletzung, die Krankheit, die Erschöpfung schauen oder wir können versuchen sie anzunehmen. Sie in unser Leben zu integrieren.

Lassen Sie uns endlich gemeinsam eine Sprache sprechen, die alles einschließt. Lassen Sie uns wagen über Verletzungen, Erkrankungen zu sprechen, über Krisen. Lassen Sie uns die begrenzende Scham loslassen.

Öffnen wir uns für „… das Potenzial und für die Erkenntnis, dass einem vermeintlichen Verlust eine eigene Wahrheit und eine Geschichte innewohnen könnte, die es wert ist, erzählt zu werden.“.

Klaus Motoki Tonn, Kintsugi

Beim Annehmen meiner eigenen Erkrankung vor einem Jahr hat mir das Buch „Kintsugi“ von Klaus Motoki Tonn sehr geholfen. Hier beschreibt er die alte japanische Kunst, zerbrochene Gefäße wieder kunstvoll zusammenzusetzen. Die entstandenen Scherben werden in einem aufwendigen Prozess wieder zu einem Gefäß zusammengesetzt. Risse und Brüche werden geklebt und ganz zuletzt vergoldet.

In der alten Kunst des japanischen Kintsugi weiß man, um die Geduld die es braucht Risse oder Brüche zu reparieren. Und es beginnt mit dem Schauen, mit dem Betrachten der Scherben, die vor einem liegen. Es beginnt mit dem Chaos.

Auch wenn sich in unserem Leben Risse und Brüche zeigen, braucht es Zeit für die „Reparatur“, für die Integration des Erlebten. Und auch hier beginnt der Prozess mit dem Chaos. Chaos ist für uns Menschen schwer auszuhalten, aber es will durchlebt sein, es braucht seine ganz eigene Zeit, wie uns die alte Technik des Kintsugi lehrt.

Zu dieser ersten Phase gehört vor allem das Betrachten der Scherben. Der tiefe Schrecken inmitten des Chaos. Nichts ist hier mehr verlässlich. Nichts ist hier mehr bekannt. Keine Gewohnheit trägt. Und es braucht Menschen, die uns halten, die uns sein lassen.

Genau deshalb braucht diese Phase des Prozesse, die Phase des Zulassens und des Seinlassens, Zeit. Zeit, in der wir gar nicht viel tun müssen. Viele der Prozesse laufen innerlich ab und wir tun gut daran uns liebevoll sein zu lassen. Bis wir zum Würdigen der Scherben, zum Würdigen des Chaos kommen. Zum Würdigen, weil wir zulassen können, was ist. Erstmal ein Scherbenhaufen.

Danach erst entwickelt sich der Prozess ganz langsam weiter in die nächste Phase. Wir kommen in die Phase des Loslassens. Das Loslassen der Pläne. Das Loslassen des Vorherigen. Das Loslassen des alten, vorausgegangenen Lebens. Und auch dieses Loslassen braucht Zeit, weil es weh tut und umsorgt sein will.

Erst danach kann das erfolgen, was wir innerlich so ersehnt haben. Das Zusammensetzen unserer Scherben. Achtsam. Liebevoll. Das zerbrochene Gefäß, unser kleines verletztes Leben bekommt wieder eine Form. Immer noch brüchig, noch nicht stabil. Und nun bekommt es nicht nur wieder eine Form, sondern wir veredeln die Form. Wir veredeln die Brüche, die Risse. Um im Bild zu bleiben, bepinseln wir sehr behutsam genau diese Risse und Brüche mit goldener kostbare Farbe.

Mir hat dieses Bild, der am Boden liegenden Scherben geholfen, mir Zeit zu nehmen und diesen Prozess des Zusammensetzens, diesen heiligen Prozess, diesen Heilungsprozess zu würdigen.

Mir hat dieses Bild nicht nur Verständnis und Erlaubnis geschenkt, sondern auch Vertrauen in das Leben und neuen Mut.

Dann, nachdem wir behutsam gepinselt haben, zeigt sich Neues. Ganz überraschend neu und anders als gedacht zeigt sich das Gefäß, zeigt sich unser Leben. Die Form ist nicht mehr ganz die alte, aber auf einmal blitzt hier Gold auf. Auf einmal ist da tiefer, innerer Wert, trotz des Scheiterns, trotz des Erkrankens, gerade durch die Krise.

Ganz anders als gewohnt zeigt sich hier Wert nicht über die herkömmliche Vorstellung von Leistung. Die Erfahrung tiefen, inneren Wertes wird erlebt durch den durchlittenen Prozess des Zulassens, Seinlassens und Loslassens.

Können Sie sich vorstellen, dass genau diese Krisen, die uns erschüttern, uns mit einer anderen Tiefe des Lebens in Kontakt bringen können? Sie können uns neu verankern und mit dem Leben verbinden. Sie lassen uns erleben, dass unser menschlicher Wert immer da ist und immer da sein wird. Von Geburt an sind wir mit Wert gesegnet.

Und was passiert jetzt mit dieser neuen, noch instabilen Form. Sie kommt ins Feuer, sie muss gebrannt werden, damit sie wirklich stabil wird. Sie sehen auch der innere Prozess ist noch nicht vorbei, um im Bild vom Erkranken oder Scheitern zu bleiben. Immer noch können sich kritische, abwertende und antreibende Stimmen in uns melden.

Mach was! Tu was! Wie konnte das überhaupt passieren? Bestimmt hast du was ganz falsch gemacht!

Sie melden sich aus dem Untergrund diese Stimmen, erzählen von Fehlern und rufen immer wieder die schmerzende Scham auf den Plan. Und genau deshalb gibt es das Feuer.

Erst der Prozess des Schmelzens macht das Gefäß wirklich stabil. Alle Anteile verbinden sich miteinander. Lassen wir zu, dass das Feuer unsere inneren abwertenden Anteile schmelzen lässt.

Und wieder ist Zeit und Geduld gefragt. Wenn das Gefäß endlich aus dem Ofen kommt ist es ganz anders als zuvor. Wir müssen erstmal schauen, betrachten, spüren. Endlich nach all dem Chaos und der Formlosigkeit zeigt sich hier erstmalig wieder verlässliche, feste Form. Neue Form, die allein durch die wertvollen goldenen Brüche und Risse entstanden ist.

Ganz einzigartig sind die goldenen Risse anzuschauen. Strahlend schön lassen sie das neu zusammengesetzte Gefäß erscheinen.

So ist es auch mit dem Integrieren unserer eigenen Verletzungen. Haben wir sie integriert, haben wir sie angenommen, können sie für uns leuchten. Für uns selbst und für den, der tief schauen kann.

Ich habe das hier so ausführlich beschrieben, weil es uns zeigen darf, dass wir uns mit dem Geschehenen „versöhnen“ können. Wir können auch in oder nach schweren Krisen Gestalter bleiben oder werden. Vor allem durch die liebevolle und freundliche Zuwendung zu uns selbst, zu unserem Schicksal, zu unserer Verletzung.

Vor allem durch das Geschenk von Zeit an uns selbst. Vor allem durch Seinlassen, Zulassen, Loslassen.

Jeder Tropfen vergossenen Blutes, vergossenen Schweißes wird dadurch kostbar.

Erlauben wir uns die Einsicht, dass genau hierdurch neue Sinnzusammenhänge entstehen können, die uns Kraft geben für die Gegenwart. Lassen Sie uns Brüche oder Risse in unserem Leben würdigen, so dass sie zur Quelle für unser weiteres Leben werden.

Leonard Cohen, der bereits verstorbene wunderbare Sänger hat genau hierzu seinen berührenden und eindrucksvollen Song Anthem verfasst. Er tat dies kurz vor seinem Tod und schenkte uns diese Zeile:

„There is a crack in everythink. That´s how the light gets in.“

Leonhard Cohen

Lernen wir mit dem Scheitern, dem Erkranken, dem Erschöpfen zu leben. Anders als zuvor. Vielleicht glänzender, kostbarer, strahlender. Wer weiß.

 

 

 

 

Menschsein genügt

Es hat sich etwas verändert. Ich erlebe es so, ich nehme es so wahr.

Seit der Pandemie fliegen uns die Themen – Stärke, Kraft, Resilienz, Gesundheit, Fitness – nur so um die Ohren, dass es rauscht.

Ich lese in den sozialen Medien Sätze wie:

„Entfalte dich. Entdecke dich neu. Befreie dich von deiner Vergangenheit. Stärke deine Resilienz. Stärke deine Kraft. Erschaffe dir eine strahlende Zukunft. Werde unzerstörbar, unbesiegbar. Nach der Krise ist vor der Krise.“

Es fühlt sich so an, als würden wir uns gemeinsam aufbauen. Als könnten wir so verhindern, dass uns so etwas nochmal passiert.

Und ehrlich gesagt, es macht mir ein wenig Angst. Es beginnt mich zu stressen. Das ist der Grund, warum ich mich mehr und mehr von den sozialen Medien fernhalte.

Was wir alles müssen in dieser Welt. Unglaublich.

Mir scheint, die Pandemie hat jedem einzelnen von uns deutlich gemacht, wie verletztlich wir Menschen in aller Wirklichkeit sind. Und es ist gut und richtig sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Mir scheint allerdings, wir verlieren die Mitte.

Was, wenn wir nicht sofort in die Reaktion gehen und uns aufbauen? Wenn wir uns neugierig damit beschäftigen, wie groß unsere Angst ist, vom Leben angehalten zu werden, krank zu werden, alt zu werden, unsere Ziele nicht zu erreichen. Nicht alles zu schaffen, nicht perfekt zu sein, irgendwann nicht mehr jung und dynamisch zu sein?

Sondern schlicht und ergreifend nur noch Mensch zu sein. Mit allem, was tatsächlich dazu gehört.

Über unglaubliche Potenziale zu verfügen und dennoch unglaublich verletzbar zu sein.

Leben ist nicht perfekt. Und wir müssen es auch nicht sein. Wir sind genug, so wie wir sind. Wie wäre es mit dieser Haltung durchs Leben zu gehen. So wie ich bin, bin ich richtig und angenommen. So, wie ich bin, gehöre ich dazu. So wie ich bin, bin ich wert.

Auch wenn ich krank bin, nicht so schlau bin, nicht so schnell bin, nicht so stark bin.

Öffnen wir unser Herz für uns selbst, für unser schlichtes Menschsein. Dazu lade ich ein. Öffnen wir unser Herz für eine heilsame Balance zwischen Anstrengung und Lassen, zwischen Disziplin und Sanftheit, zwischen Stärke und Verletzlichkeit.